Dreher und Sterngucker – Stadttauben mit PMV
(Direkt zur gewünschten Info)
- Was ist PMV
- Übertragung/Ansteckung
- Krankheitsfeststellung
- Desinfektion
- Päppeln und versorgen
- Streicheleinheiten
- Eine Endpflegestelle finden
Im Internet findest Du unzählige Artikel über die Paramyxovirose-Krankheit bei Tauben – angefangen von Wikipedia-Beiträgen über Informationen von Stadttaubenorganisationen Diskussionen bis hin zu Foren mit Empfehlungen für Züchter. Hierzu einige Beispiele:
Seit dem vergangenen Spätherbst hatte ich selbst rund 20 kranke Tauben gesichert, gepäppelt und an Endpflegestellen übergeben. Darunter waren sowohl leichte als auch schwere Fälle, bei denen intensiver Pflegebedarf bestand. Auf diese Weise konnte ich meine eigenen Erfahrungen mit dem Verlauf und den Besonderheiten der Krankheit sammeln und eine Menge dazulernen. Vor allem eines: Längst nicht alles, was über die Krankheit geschrieben steht, hat sich bei mir bestätigt. Genau wie wir Menschen mit unserem Überlebenswillen erfolgreich gegen schwere Krankheiten kämpfen, tun es auch Tauben – sofern sie entsprechende Hilfe bekommen.
Das beste Beispiel für den Überlebenskampf einer erkrankten Jungtaube lieferte meine kleine Meimei. Ich fand sie als ein Häufchen Elend, sie ertrug die fiesesten PMV-Anfälle und lebt heute in einer Endpflegestelle im Ausland. Ihr Wille und meine Hoffnung ermöglichten ihr den Start in ein besseres Leben.
(Video mit aktiviertem Datenschutzmodus: Meine kleine Meimei in der ersten Woche – ich befürchtete schon das Schlimmste)Neben der rein medizinischen Betrachtungsweise findest du mein persönliches Resümee von Maßnahmen und Erfahrungen, so wie ich sie über drei Monate tagein tagaus mit meinen Pfleglingen gemacht habe.
Meine persönliche Einschätzung
Das Wichtigste zuerst: Ich kann dir versichern, dass die meisten PMV-Tauben, wenn sie gut versorgt werden, eine sehr gute Überlebenschance haben. Von meinen Pfleglingen haben es meines Wissens nur zwei nicht geschafft. Eine Taube war ein völlig unterernährtes Jungtier, die andere ein recht betagter Täuberich, der später in der Endpflegestelle an einem Herzstillstand starb.
Wenn du also im Internet schon gelesen hast, dass Tauben mit Paramyxovirose „nicht heilbar“ bzw. „unrettbar verloren“ seien, dann bezieht das wohl eher auf die Sichtweise von Züchtern, für die solche Tiere wertlos geworden sind. Viele Taubenhalter fürchten nämlich materielle Verluste durch Todesfälle oder verminderten Show-Erfolg bei Wettbewerben durch erkrankte Tiere. Davon distanziere ich mich selbstverständlich.
Was ist PMV?
Die Paramyxovirose bei Tauben (PMV-1) ist eine sehr infektiöse Viruserkrankung, die vom Mittelmeerraum ausging und sich seit den 80iger Jahren auch in Deutschland seuchenartig auftreten kann. Der Erreger gehört ähnlich wie die Newcastle-Krankheit zur SEROGRUPPE 1 der vogeltypischen Paramyxoviren. Allerdings handelt es um den Subtypen P (das P steht für Pigeons) weshalb man diese Form der Krankheit von der asiatischen Geflügelpest (Newcastle-Krankheit), von der Hühner und Papageienvögel betroffen sind, unterscheidet.
Welche Ansteckungsgefahren musst du beachten?
Soweit wie ich weiß (Ärzte, Taubenhalter, Fachliteratur), kann sich der Paramyxovirus extrem leicht über Sekrettröpfchen, die in der Luft herumfliegen übertragen und besonders durch Kontakt mit Speichel und kontaminiertem Kot, den infizierte Tauben schon absetzen, bevor sich die ersten Krankheitssymptome bemerkbar machen. Nach der Ansteckung dauert die Inkubationszeit bis zum Ausbruch der Krankheit bis zu 10 Tagen. Auch latent infizierte und erkrankte Tauben scheiden den Virus bis zu drei Wochen aus.
Desinfektion ist unbedingt erforderlich
Es ist höchste Vorsicht geboten, wenn du schon andere Vögel zu Hause oder einer Voliere hältst. Tauben mit PMV-Verdacht sollten unbedingt von gesunden Tieren isoliert und in möglichst in anderen Räumlichkeiten untergebracht werden. Kontaminierte Gegenstände (Stall, Transporter, Wasserschale etc.) und vor allem die eigenen Hände müssen nach jedem Kontakt gründlich desinfiziert werden. Dafür eignet sich eine viruzid wirkende Lösung wie beispielsweise MyClean HB.
Da ich eigentlich immer mehrere Patienten bei mir hatte, war es unmöglich noch andere Notfälle unterzubringen. Auch wenn mir von erfahrenen Taubenpäpplern gesagt wurde , dass schon beim Auftreten sichtbarer Krankheitserscheinungen von den meisten betroffenen Tauben keine Ansteckungsgefahr mehr ausgehen würde. Denn endgültige Sicherheit liefert nur eine serologische Untersuchung auf Antikörper beim Tierarzt.
Einige der typischen Krankheitssymptome
Als erstes offensichtliches Symptom zeigt sich bei den meisten Tieren dünn geformter Kot, der in einer wässrigen Lache ausgeschieden wird. Der Appetit geht zurück, dafür besteht erhöhter Bedarf an Trinkwasser, die Tiere zeigen sich enorm schreckhaft. Der weitere Krankheitsverlauf ist von Taube zu Taube verschieden. Zentralnervöse Störungen können, aber müssen nicht auftreten. Diese verursachen: Pinguinstellung der Füße, Sternguckerhaltung, auffälliges Verdrehen von Kopf und Hals. In besonders krassen Fällen kann es zu halbseitigen Lähmungserscheinungen kommen, wodurch die Taube völlig manövrierunfähig wird.
Unterbringung von erkrankten Tauben
Auch wenn sich die Vögel nicht weiter untereinander anstecken, ist es kaum ratsam, mehrere gemeinsam in einen Stall zu setzen. So behindert erkrankte Tauben auch sein mögen, sie verhalten sich ungemein dominant und dulden keine Rivalen im Revier. Sie fühlen sich gestresst, fangen an zu gurren und gehen bald auch aufeinander los. Aus dem Grund musste ich alle Patienten getrennt von einander halten.
Behandeln, aufpäppeln und aufbauen
Als eine Virusinfektion ist kann die Paramoyxose nicht direkt behandelt werden. Es gilt daher an erster Stelle zu prüfen, ob möglicherweise andere Infektionen schon vorhanden sind, die den Gesundheitszustand der Taube zusätzlich belasten – beispielsweise Trichomonaden oder Kokzdien.
Die Kokzidiose ist eine unter Tauben häufig auftretende Darmerkrankung. Man erkennt sie am Kotbild, dieser ist breiartig bis schleimig- wässrig. Das solltest du unbedingt abklären lassen, denn bei einem Kokzidienbefall darf kein Vitamin B verabreicht werden.
Trichomonaden sind Parasiten, die den oberen Verdauungstrakt von Tauben besiedeln und schädigen. Wenn du der Tauben in den Schnabel schaust, bemerkst du einen fauligen Geruch und siehst gelbliche Beläge im Schnabel und Rachenbereich. Unbehandelt können schon Trichos zum Tode führen.Sollte hier ein Verdacht bestehen, sollte die Taube einem vogelkundigen Tierarzt vorgestellt werden.
Zufütterung und Zwangsernährung:
Wegen der Symptome können sind die Tauben kaum in der Lage Körner aufzupicken. Entweder treffen sie oder sie verlieren durch unkontrollierte Drehbewegung das Futter wieder. Manchmal ist auch die Wasseraufnahme dann nicht mehr möglich.
Ohne Zufütterung würden die Tauben zwangläufig verdursten und verhungern. Was also tun? Ich habe stark behinderte Tauben dreimal täglich mit Nutri-Bird-Brei zwangsernährt – jeweils 3 Spritzen mit 5ml.
Dazu gab ich in den ersten Tagen täglich 10 Tropfen Multivitamine für Ziervögel und Tauben (beim vogelkundigen Tierarzt erhältlich) und später Vitamin B Komplex ins Trinkwasser gegeben.
Die erste Besserung ließ nicht lange warten. Schon nach etwa einer Woche war der Kot wieder fester und die Taube deutlich vitaler. Alle konnten wenigsten selbstständig Wasser aufnehmen. Der Kot normalisierte sich. Bald habe ich die Spritze wieder beiseite gelegt und mit gut befeuchteten Körnern manuell gefüttert. Zugegeben, das war zwar zeitaufwendig, tat den Tauben aber gut. Sie drehten viel weniger.
Dauer der Symptome
In einigen Erfahrungsberichten wurde geschrieben, dass nach etwa drei Wochen der ganze Spuk vorbei sei. Das kann nicht so bestätigen. Ich hatte Fälle, die schon nach recht kurzer Zeit keine Auffälligkeiten mehr zeigten. Die Tiere konnten wieder selbstständig fressen und trinken, gerieten sie aber aus irgendeinem Grund unter Stress, fingen sie urplötzlich wild an zu drehen an. Bei anderen schienen die Beschwerden zurückzugehen, wurden dann aber wieder stärker.
(Video mit aktiviertem Datenschutzmodus: die kleine Meimei litt enorm unter Drehzwängen)
Besonders ausgeprägt und hartnäckig blieb die Sternguckerhaltung bei meiner Jungtaube „Meimei“, die ich fast zwei Monate bei mir hatte. Auch nach weiteren Monaten in ihrer Endpflegestelle lernt sie nur langsam wieder selbstständig zu fressen. Ich weiß aber auch von anderen Tauben, die sich viel schneller wieder prächtig entwickelt haben und ein relativ normales Leben führen können.
Balsam für die gestresste Taubenseele
Artgerechtes Füttern und Vitamine helfen den Tauben bald wieder auf die Beine. Aber man kann noch etwas mehr tun, um den Genesungsprozesse zu unterstützen. Wie ich ja schon schrieb, sind leiden die Tauben nicht nur körperlich, sondern auch unter enormen Stress. Wenn sie sich ängstigen oder erschrecken, fangen sie wild an zu drehen oder bekommen krampfartige Anfälle. Also das zum ersten Mal sah, rechnete ich schon mit dem schlimmsten. Aber keine Sorge, solche Anfälle gehen vorüber, wenn sie Geborgenheit und Wärme spüren. Man kann die Taube vorsichtig in die Hand nehmen und streicheln. Meine kleine Meimei konnte ich auf diese Weise hervorragend beruhigen. Ein anderes probates Hilfsmittel sind kleine Stofftiere, die man in den Stall oder Käfig dazu legt. Von diesen stillen Nachbarn geht keine Gefahr aus, es kommt noch nicht mal Gegenwehr, wenn man daran herumpickt – und alles wird gut. Den Tipp bekam ich von einer recht bekannten PMV-Expertin aus Spanien. Ich selbst habe die Methode bei mehreren Tauben erfolgreich angewendet.
(Video mit aktiviertem Datenschutzmodus: Auch PMV-Tauben mögen es gestreichelt zu werden.)Letzter wichtiger Schritt: Überführung in eine richtige Endpflegestelle
Leider kann man nie sicher sein, ob eine an eine an PMV erkrankte Taube jemals wieder völlig beschwerdefrei wird oder nicht doch mal wieder Probleme bekommt. Würde eine solche Taube im normalen Leben plötzlich in eine Stresssituation geraten, könnte sie wieder anfangen zu drehen statt wegzufliegen. Aus dem Grund sollten PMV-Tauben niemals einfach wieder freigelassen werden. Diese Entscheidung sollten wir erfahrenen Taubenbetreuern überlassen. Langfristig sollte man daher lieber für eine geeignete Endpflegestelle suchen. Aber Achtung: Bevor du sie in ein Tierheim gibst, erkundigedich bitte unbedingt zuvor, ob dort eine Dauerpflege von Paramyxo-Tauben möglich ist. Wenn dann kein eindeutiges JA! erfolgt, suche bitte weiter, da sonst die Gefahr besteht, dass die Taube später doch eingeschläfert wird. Vielleicht hilft dir dabei eine der Kontaktadressen für Tauben-Nothilfe von meiner Website.