Stadttauben trotzen Vergrämung und Gewalt
Die Stadttaube hat sich zu einem enorm anpassungsfähigen Kulturfolger des Menschen entwickelt. Ihr Wesen, ihr Lebensraum und die heutigen Lebensbedingungen in den Städten sind vom Menschen selbst bestimmt worden. Tauben sind somit allgegenwärtig und prägen unser Stadtbild. Darum werden sie von Menschen bekämpft, gequält und manchmal sogar getötet.
Typische Methoden zur Taubenabwehr sind:
- Fütterungsverbot
- Spikes, Netze und Gitter
- Fangen und Aussetzen
- Nistplätze verschließen
- Klebepasten
- Vergrämung mit Raubvögeln
- Illegales Auslegen von Gift
- Beauftragung von Jägern
Gründe für das Fütterungsverbot
Am weitesten verbreitet und leider auch gesellschaftlich akzeptiert ist das behördlich verordnete Fütterungsverbot von Tauben. Man beruft sich damit auf Theorien und Studien des Basler Taubenabwehr-Experten Professor Daniel Haag-Wackernagel. Deren Erfolgsaussichten sind längst widerlegt worden.
Kurz erklärt: Durch den Futterentzug in der Stadt würden Tauben gezwungen sich mehr um neue Nahrungsquellen kümmern und weniger brüten. Genau das Gegenteil wird erreicht. Durch permanenten Hunger gepeinigt fürchten Tauben um den Erhalt ihrer Art und werden zu Stressbrütern. Sie paaren sich verstärkt und legen weiterhin Eier. Nur schaffen sie es hre Küken nicht mehr ausreichend mit Kropfmilch zu versorgen, wodurch viele verenden. Ebernso fördert die Unternährung Krankheiten. Die Tauben bleiben trotzdem in der Stadt. Damit ist das Fütterungsverbot pure Tierquälerei und viel weniger wirksam als von behördlicher Seite behauptet wird.
Wie resolut Fütterungsverbote durchgesetzt werden, ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. Am härtesten trifft es aktuell die Stadttauben in Bayern – ganz besonders München.
(Zum Video: Spikes und Netze halten Tauben nicht ab, aber sie können schlimme Verletzungen verursachen.)
Spikes, Gitter und Netze
Stadttauben sind hart im Nehmen: Unabhängig vom Aufwand und davon, wie brutal und herzlos die unterschiedlichen Vergrämungsmethode auch sein mag, keine von den oben genannten Abwehrstrategien hat bisher dauerhaft zum gewünschten Erfolg geführt, die Tauben aus den Städten zu vertreiben. Dafür sind diese viel zu intelligent und anpassungsfähig. An Gebäuden angebrachte Spikes und Netze sollten den Anflug verhindern. Die Vögel lässen sich aber davon nicht abschrecken. Früher oder späte entdecken sie Lücken und nutzen diese. Schau dir die einfach mal die Bilder an, die ich am Bertha von Suttner Platz gemacht habe: Tauben, deren Leben inmitten von Spikes von Spikes und Drähten stattfindet.
Versieglung von potentiellen Nistplätzen
Zwar ist das Töten von Stadtauben offiziell illegal – also auch das Verschließen von Nestplätzen mit lebenden Küken – aber außerhalb der Öffentlichkeit wir immer noch so vorgegangen. Den Beweis dafür liefert dieses Video:
(Quelle: Video im datenschutzkonformen Modus von Tiernotruf.de)
Tödliche Wirkung: Taubenabwehr mit Klebepasten
Für die Umsetzung werden in der Regel auf Schädlingsbekämpfung spezialisierte Firmen beauftragt, die oft nicht zimperlich vorgehen. Da die Folgen brutaler und herzloser Taubenabwehr seit Jahren immer mehr Tierschützer auf die Barrikaden gebracht hat, wurde der Ton im Umgang mit Tauben zwar vorsichtiger, an den praktischen Methoden hat sich meiner Meinung bis heute nur sehr wenig geändert – zum Beispiel die Anbringung von Klebepasten und leider wohl immer noch Gift. Die Bereitschaft über Leichen zu gehen besteht durchaus.
Wenn Taubenhasser völlig ausflippen
Initiatoren sind weniger die Stadträte oder Verantwortliche in Baumämtern, sondern vielmehr egoistische und skrupellose Wutbürger, die glauben, mit einem radikalen Vernichtungsschlag die Sauberkeit in der Stadt wieder herstellen zu können. Ein besonders krasses Beispiel lieferte vor rund zwei Jahren der Hauseigentümer Holger Rudolph und Mitstreiter einer Anti-Tauben-Gemeinschaft in Bad Segeberg. Ganz unverhohlen forderte er öffentlich den Bauausschuss dazu auf, den gesamten Taubenbestand einfach mit Zyankali auszurotten. Das ginge schnell und ganz dezent.
Tauben heimlich vergiften
Manche Taubengegner verlassen anscheinend Skrupel und Rechtsbewusstsein, wenn es um ihre Interessen geht. Mit eigenen Augen musste ich erleben, wie an einer belebten Straße in Düsseldorf Pempelfort, wo einige Restaurants auch den Bürgersteig mit Tischen belegen, ganz plötzlich gleich mehrere Tauben vergiftet worden sind und unter schrecklichen Krämpfen verendeten. Das war ganz furchtbar anzusehen, den Anblick habe ich bis heute nicht vergessen.
Fangen und umsiedeln?
Die Methode, unliebsame Tauben im großen Stil einzufangen und zu entsorgen, ist nicht neu und wird im europäischen Ausland (beispielsweise Spanien, Italien) ganz offiziell praktiziert. Die Vögel werden meistens mit Stickstoff, zum Teil auch durch Genickbruch getötet und dann zur Mülldeponie gebracht. Tierschützer sind dagegen machtlos.
In Deutschland ist es verboten, ohne spezielle Genehmigung durch das Veterinäramt und städtische Behörden, Tauben einzufangen – das gilt auch für zertifizierte Schädlingsbekämpfer. Und da auch Stadtauben unter das Tierschutzgesetz fallen, ist es natrülich auch illegal, sie ohne vorherige Sondergenehmigung und für das Schlachten ausgewiesene Experten umzubringen.
Das wissen selbstverständlich auch Rentokil & Co. Die Schädlingsbekämpfer haben dazu gelernt, nachdem sie in den vergangenen Jahren wegen ihren brutalen Umgangs mit Tauben immer wieder ins Visier der Tierschützer gerieten und negative Presse kassierten. Einige von ihnen haben die Vergrämung von Stadtauben inzwischen aus dem Leistungsspektrum (zum mindest im Internet) entfernt. Die Bezeichnung der Stadttaube als Schadvogel oder Ungeziefer wird – zumindest offiziell – kaum noch geführt, ebenso verzichten die Vergrämer inzwischen auf Panikmache und Lügenmärchen, mit denen sie einst Kunden gewannen.
Dennoch passen Tauben weiterhin ins Geschäftsmodell von Kammerjägern und Schädlingsbekämpfern. Diese führen ihre Aufträge inzwischen gut verdeckt und schwer überprüfbar durch. Mit Lebendfallen und Aktionen unter Ausschluss der Öffentlichkeit werden Stadttauben systematisch eingesammelt und weggeschafft. Offiziell heißt es dann, man würde den Tieren kein Leid antun, sondern sie lediglich weit wegfahren und aussetzen. Beispiele für die Methode lieferte die Deutsche Bahn AG als Auftraggeber in Neumünster und Passau.
Wer eins und eins zusammenzählen kann, weiß, dass die gefangenen Tauben keinesfalls irgendwo freigelassen werden. Dank des angeborenen Heimkehrinstinkts wären sie binnen kurzer Zeit wieder an Ort und Stelle zurück. Somit ist es viel wahrscheinlicher, dass die als Versuchstiere enden, in Tiergärten verfüttert oder auch einfach nur umgebracht und spurlos entsorgt werden.
Vergrämungsversuche mit Falken
Dank der Taubenabwehrpläne haben auch Falkner im wieder gut zu tun, obwohl sich in der Vergangenheit schon mehrfach gezeigt hat, dass solche Bemühungen eigentlich raus geworfenes Geld sind, da sich Tauben durch einen Greifvogel allenfalls temporär vertreiben lassen. Sie kommen bald wieder, weil sie standorttreu sind. Das erlebe ich übrigens auch mit eigenen Augen, da immer mal wieder Bussarde oder Sperber im Hinterhof meiner Wohnung auftauchen. Sobald der Greifvogel verschwunden ist, kommen auch die Tauben wieder. Das ist schon fast wie ein Katz-und -Maus-Spiel.
Dabei habe ich das Gefühl, dass die Vergrämungsversuche in deutschen Städten regelrechten Trends unterliegen (insbesondere in Bayern und Baden-Würtenberg, aber auch anderswo). Kaum beauftragte München einen Falkner, zogen andere Stadträte sogleich hinterher – so wie die Stadt Leonberg einem Falkner-Unternehmen 2018 eine gewinnbringende „Jagdzeit“ organisiert hatte:
Eigentlich sollten die Stadträte über Taubenabwehr soweit informiert sein, dass die Vergrämung mit Falken niemals zu einem dauerhaften Erfolg wird. Die Tauben kommen wieder, sobald sie spüren, dass ihnen durch den Greifvogel keine reale Gefahr droht. Dennoch halten manche Behörden daran fest. Vielleicht geht es dabei mehr um gegenseitige Gefälligkeiten als um die Lösung des eigentlichen Problems. Wieder mal nur eine Verschwörungstheorie?