Meimei’s Wandel von der Stadttaube zur Reisetaube

Meimei - meine kleine PMV-Taube

Wie ich schon einmal schrieb, war die kleine Meimei meine erste PMV-Taube, die ich aus dem Düsseldorfer Hofgarten mitgenommen hatte. Die Damen, die dort die Wasservögel betreuen, hatten mich auf sie aufmerksam gemacht.

Meimei saß damals völlig abseits von den anderen Tauben mit aufgeplustertem Gefieder und einem recht apathischen Ausdruck. Sie machte zuerst auf mich nur den Eindruck einer noch recht jungen, aber unterernährten Taube. Doch dann erzählten mir die Damen von einem komischen Verhalten, so wie man es von Tauben kennt, die unter der Paramyxovirose leiden. Ich trug das kleine Täubchen in einem Stoffbeutel nach Hause. Als ich es dort in den Stall setzen wollte, hatte ich ein nahezu lebloses kleines Bündel Federn in der Hand. Die Taube zeigte kaum Vitalität, manchmal schien es, als wäre sie breit für den Übergang in eine andere Welt. Selbst ein Körnerangebot half nicht . Obwohl sie sicher sehr hungrig war, war sie anscheinend nicht in der Lage, welche aufzupicken.

Eine gesicherte PMV Taube
Meimei fraß und trank nicht, sie saß völlig apathisch in einer Ecke.

Ganz ehrlich, ich hatte schon Bedenken, dass sie bei mir überhaupt die erste Nacht überleben würde. Aber glücklicherweise kam es anders. Die kleine Taube hatte einen extremen Überlebenswillen, allerdings stand sie sich dabei aber auch oft selbst im Weg. Beispielsweise war sie von Anfang an beim Zufüttern extrem eigensinnig und alles andere als kooperativ. Es war äußerst mühsam ihr den Schnabel zu öffnen, Brei schmeckte ihr nicht, die Hälfte der Körner spie sie erst mal wieder aus und so weiter und sofort. Ich sage mal so: Für beide Seiten war die erste Päppelphase eine ganz schöne Geduldsprobe.

Fütterung einer PMV-Taube mit Hilfe einer Fixierschale
Meimei bei einer Fütterung
Taube Meimei
…und danach, anfangs hatte sie noch eine relativ normale Körperhaltung

Dazu entwickelten sich schon bald immer heftigere PMV-Symptome im Hals- Kopfbereich, unter denen Meimei zu leiden hatte . Für mich war bald klar, dass ich die Taube so schnell nicht in andere Hände geben könnte. Die Gute zeigte ziemlich viele Marotten, sicher auch krankheitsbedingte, die mich immer  befürchten ließen, dass nicht jeder die Zeit hat, sich so intensiv auf  die Kleine einzulassen.

Meimeis Sternguckerhaltung
Leider zeigten bald mehr der typischen PMV-Symptome, beispielsweise die Sterngucker-Haltung
PMV Taube Meimei sagt Hallo
Meimei schaut neugierig in die Kamera

Bei der täglichen Fütterung tastete ich mich ganz langsam heran, was Meimei mochte und was nicht. Beispielsweise hatte sie eine höllische Angst vor Spritzen. Auch wenn es vielleicht bequemer und schneller gewesen wäre, eine Sonde kam für mich schon deshalb nicht in Frage. Bei der ganzen Aufregung, die die Kleine an den Tag legte, musste ich äußerst behutsam vorgehen. Trotzdem passierte es immer mal wieder, dass sich Meimei’s eigentlich zutrauliches Verhalten urplötzlich durch Störungen im zentralen Nervensystem komplett ins Gegenteil verwandelten. Manchmal geriet der ganze Körper völlig außer Kontrolle. Dann fing sie an, wild mit den Flügeln zu schlagen, drehte den Kopf urplötzlich in alle Richtungen und bekam Durchfall. In solchen Situationen nahm ich sie erst einmal in die Hand und konnte sie durch eine Streichelpause bald wieder beruhigen.

Einmal allerdings hatte sie sich an einem Maiskorn verschluckt und geriet  in Panik. Sie  wollte sofort weg vom Handtuch, das  bei der Fütterung als Unterlage diente. Ich setzte sie in die Wanne, da spuckte sie das Korn Gott sei dank sofort aus. Das Teil flog in hohem Bogen in die Wanne. Ich habe mich wirklich erschrocken als ich erkannte, welche Gefahr von falschem Futter ausgehen kann. Darum verzichtete ich von nun an ganz auf harte Körner. Stattdessen bekam Meimei zweimal täglich eine Portion festeren Aufzuchtbrei, den in ich kleine Kugeln formte und ihr in den Schnabel steckte. Das funktionierte prima und die Kleine wurde ohne Probleme satt.

Meimei duldete keine fremde Taube in ihrem Revier

Ein anderes Problem war, dass Meimei in ihrem Reich (der Nagerstall) partout keine Gesellschaft duldete. Welche Taube ich auch dazu setzte, es verging keine halbe Stunde, bis eine wilde Prügelei ausbrach. Meimei war es dabei egal, wie klein oder groß, wie jung oder alt die andere Taube war. Sie legte sich mit allen an und gab nicht nach – selbst dann, wenn sie die Unterlegene war.

Zwei Tauben mit Paramyxovirose aus dem Düsseldorfer Hofgarten
Die beiden hatten nicht lange Ruhe….
PMV-Taube Meimei wird sauer
Meimei war bald zur Stelle, um ihr Revier zu verteidigen…

Um solche Konflikte zu vermeiden, musste Meimei leider „in Einzelhaft“ wohnen. Damit hatte ich zwar für Ruhe gesorgt, aber es blieben doch arge Zweifel, ob Meimei so dauerhaft klarkommen würde. Ich meine, nein, das funktioniert nicht. Tauben sind sehr soziale Tiere, die in Schwärmen leben und keine Einzelkämpfer. Irgendwann würde ihr das monotone Leben in der Isolation auf die Psyche schlagen und sie depressiv werden lassen. Wenn sie nicht schwer krank sind, leiden Tauben unter Einsamkeit, genauso wie wir Menschen und viele andere intelligente Lebewesen. Man denke nur an die schlimmen Verhaltensauffälligkeiten vieler Zootiere.

Meimei’s Ausweg aus der Isolation

Nach 5 Wochen intensiver Betreuung bei mir zu Hause sah ich endlich eine Perspektive. Eine Taubenfreundin aus Facebook schrieb mir, dass sie sich in die Bilder, die ich von Meimei gepostet hatte, verliebt hätte. Sie halte in ihrer Endpflegestelle in Spanien eh ganz viele PMV-Tauben und wollte nun auch meine kleine PMV-Taube unbedingt übernehmen. Kurze Zeit später bot sich auch die Gelegenheit für einen Transport. Zwischen Weihnachten und Sylvester sollte die Fahrt von Ludwigshafen aus losgehen. Ich war begeistert und sagte direkt für Meimei zu. Liebend gerne hätte ich noch  weitere Tauben vermittelt, doch leider wurde daraus nichts, weil sich kein Fahrer anbot. Meimei brachte ich kurz vor Weihnachten mit dem Zug  nach Mannheim. Ein Taubenfreund, der den Transport mit organisierte, traf mich am Bahnhof und übernahm Meimei bis zur Abreise nach Spanien. Er versprach mir, mich regelmäßig über die Fortschritte und das Befinden von Meimei zu berichten.

Fütterung einer PMV-Taube
Meimeis letztes Abendmahl vor der Abreise nach Mannheim
PMV-Taube Meimei wird im Badezimmer gefüttert
Ein gemeinsames Abschiedsfoto musste sein…
Transport einer Taube mit der Bahn
Meimei saß während der ganzen Fahrt neben mir, damit ich sie schnell beruhigen konnte

Für war mich der Abschied von meinem Pflegling keinesfalls leicht, doch war ich fest davon überzeugt, dass die Taube in Spanien ein deutlich besseres Leben erwartet. Selbst wenn ihre PMV-Handycaps bleiben sollten, wird sie dort liebevoll umsorgt und vielleicht lernt sie in der neuen Umgebung, sich einzufügen und besser mit anderen Tauben klarzukommen. Dafür drücke ich ihr ganz fest die Daumen. Und in meinem Herzen wird Meimei ihren festen Platz behalten.

 

Reihenweise erkrankten in Düsseldorf Tauben am Paramyxovirus

MeiMei - die süße PMV-Taube

Das Paramyxo-Virus befällt schon seit den 80iger Jahren in Deutschland die Stadttauben. Die Paramyxovirose ist für Tauben und Hühner hoch ansteckend und verbreitet sich über eine Tröpfcheninfektion. Es gibt einen Impfstoff dagegen, den Taubenzüchter einsetzen, aber Stadttauben, die ja nicht alle geimpft werden können, müssen mit dem Risiko leider leben. Für menschliche Stadtbewohner ist das Virus ungefährlich, bis heute ist jedenfalls kein Fall einer Erkrankung bekannt.

Schnelle Verbreitung des Paramyxovirus

Tauben können das Virus über die Nase und Bindehaut sowie mit Viren kontaminierte Trinkwasser, Bruteier oder Staub aufnehmen. Einige Tage nach der Infektion bekommen die meisten wässrigen Durchfall, viele von ihnen aber auch schwerste Probleme mit der Koordination, wobei Symptome und Schweregrade unterschiedlich sein können. Manche Tauben kriegen schlimme Unruhe-Attacken, drehen permanent im Kreis, andere laufen rückwärts, andere können kaum noch fliegen oder infolge der zentralnervösen Störungen keine Nahrung mehr aufnehmen. Im schlimmsten Fall verdursten und verhungern sie ohne fremde Hilfe.

Sternguckerhaltung einer PMV-Taube
Täubchen MeiMei in ihrer typischen Sterngucker-Pose

Plötzlicher Ausbruch von PMV im Düsseldorfer Hofgarten

Seit Mitte November grassiert das PMV-Virus unter den Tauben rund um den Düsseldorfer Hofgarten. Meine erste Begegnung mit einem erkrankten Tier geschah auf einen Hinweis der Damen, die die Wasservögel am Schwanenhaus versorgen. Ich war gerade mit meiner Fütterung fertig und wollte mich kurz noch von Frau Bonmariage verabschieden, als eine weitere Vogelbetreuerin direkt auf mich zusteuerte und von Tauben berichtete, die eine auffällig komische Flugtechnik hätten oder minutenlang im Kreis laufen würden und den Kopf verdrehen.  Sogleich schoss mir PMV in den Kopf. Die Symptome kannte ich bereits von einem Fall in Köln. Wir liefen gemeinsam um den Block und die Dame zeigte mir hinter dem Haus eine der verdächtigen Tauben. Sie ließ sich ganz leicht mit der Hand aufnehmen. Es war noch ein Jungvogel. Der Kopf war in der typischen Sterngucker-Pose nach oben gerichtet, und irgendwie fehlte der Kleinen so der Hals – das war mein optischer Eindruck. Also gleich mitnehmen! Zu dumm, meinen kleinen Transporter hatte ich zu Hause gelassen, daher musste es eine Stofftasche tun. In diese legte ich das Täubchen rein und schob gleich ab.

Typische Handicaps von vielen PMV-Tauben

Zu Hause stellte ich fest, dass die Kleine nicht  in der Lage war, Körner zu picken. Fliegen klappte ebenfalls überhaupt nicht. An diesem Tag begann damit die Geschichte von MeiMei (das ist Chinesisch und heißt „kleine Schwester“). Mehrere Wochen habe ich sie mit Aufzuchtbrei und Vitamin-B-Komplex aufgebaut – am Anfang leider auch mit einer Fixierung. Bald darauf habe ich sie in ein Handtuch eingewickelt. Inzwischen hat sie sich an mich gewöhnt und sitzt bei der Fütterung brav auf dem Schoß.

Nutri Bird Aufzuchtbrei
Noch trockener Nutri Bird Aufzuchtbrei
Multi-Vitamine und Vitamin-B für kranke Tauben
Vitamine sind für die Erholung einer PMV-Taube enorm wichtig
Für die Fütterung fixierte Jungtaube
MeiMei bei ihrer ersten Fütterung mit Brei, einiges ging daneben.
MeiMei im Handtuch eingewickelt

Wie schon zu befürchten war, kamen binnen weniger Tage  immer mehr erkrankte Tauben hinzu. Da ich daheim nur sehr beschränkte Möglichkeiten für die Unterbringung habe, vereinbarte ich mit Frau Bonmariage, in bestimmten Abständen weitere Tiere abzuholen.

Lähmungen bei PMV-Tauben
Temporäre halbseitige Lähmung bei einer PMV-Taube
Taube mit Paramyovirose
Deutliche Besserung innerhalb eines Tages nach Vitamin-B-Zugabe

Mein Plan war es, ein bis zweimal die Woche, je zwei Täubchen nach Köln zu bringen und dort an die Experten der Stadttaubenhilfe zu übergeben. Dort, das wusste ich, würden sie perfekt behandelt und gepäppelt, soweit nötig. Auch wenn es sicher notwendig gewesen wäre, aber mehr Tauben in einem Behältnis zusammen zu lassen, ist oft nicht möglich. So krank sie auch sind, wenn PMV-Tauben sich zu nah kommen, prügeln sie bald aufeinander los.

Zwei PMV-Tauben, die noch fressen konnten. Und prügeln. Kurz nach dem Foto gingen sie aufeinander los.

Selbst in meinem großen Nagerstall, in dem sonst 3-4 Vögel prima miteinander auskamen, gingen PMV-Patienten sofort aufeinander los. Selbst meine kleine MeiMei wurde zur bissigen Amazone und ging auf andere Tauben los. Die Mischung aus Aggression und PMV-Behinderungen führte zu ziemlich bizarren Szenen, bei denen sich keine Taube ernsthaft verletzen konnte, aber ständiges Gurren und Geflattere war schon anstrengend – ganz besonders für die Tauben selbst. PMV-Patienten sind enorm stressempfindlich, darum tun ihnen Streitereien gar nicht gut. Ergo mussten leider jede Taube in „Einzelhaft“ untergebracht werden.

Um Stress zu vermeiden, musste jede Taube separat untergebracht werden.

Da im Hofgarten mehr Tauben starke PMV-Symptome zeigten als ich täglich mitnehmen konnte, wurden einige von dritter Seite einfach ins Tierheim Düsseldorf gebracht. Dort hatten sie zwar eine Unterbringung, aber die schweren Fälle konnten nicht gepäppelt werden und so hätte man sie früher oder später eingeschläfert. Dank der Kölner Arbeitsgruppe gegen die Stadttaubenproblematik konnte ich wenigstens 10 Tauben vor dem Hungertod bzw. der Todesspritze bewahren.

MeiMei ist immer noch bei mir. Sie kann zwar trinken aber immer noch keine Körner picken und auch nicht fliegen. Vielleicht werden ihre Behinderungen lebenslang bleiben. Trotzdem MeiMei ein liebenswertes Geschöpf, das ein Recht auf sein Leben und eine schöne Zukunft hat. Dafür gibt es Perspektiven. MeiMei kann sich schon jetzt auf ein artgerechtes Zuhause und liebevolle Betreuung in einem 100%igen PMV-Schlag freuen.