Paaren sich Haustauben mit Stadttauben?

Was für eine Frage,wenn man sich schon etwas länger mit Tauben beschäftigt und deren Sexualverhalten miterlebt hat, kann man sie eigentlich nur mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten. Brieftauben stammen genauso wie verwilderte Stadttauben von der Felsentaube ab und verfügen somit über ähnliche Gene. Und wenn du mal genauer hinsiehst, wirst du leicht erkennen, dass viele Stadttauben Nachfolger von gezüchteten Haustauben sind, die entweder entflogen sind oder ausgesetzt wurden und einen Partner in der Stadt gefunden haben.

Der Deutsche Brieftaubenverband beruft sich auf Daniel Haag-Wackernagel

Warum soll das bei Tauben der deutschen Reisesportgruppen nun so anders sein, wie es der Verband der Brieftaubenzüchter in Essen es auf der eigenen Website behauptet? Die Züchter beziehen sich dabei auf den Schweizer Taubenexperten Professor Daniel Haag-Wackernagel, der in langjährigen Studien belegt hätte, dass verirrte Brieftauben kaum Anschluss in Städten fänden. Folglich gilt weiterhin: Von einer erhöhten Stadttaubenpopulation durch Zuflieger will man weiterhin nichts wissen. Es ist halt deren Ausrede, um sich bequem aus der Affäre zu ziehen. Allein meine Fotos von Tauben aus der Düsseldorfer Innenstadt könnten locker das Gegenteil beweisen. Es gibt hier schließlich Beispiele, wo sich verirrte Brieftauben dauerhaft in einen Stadttaubenschwarm integriert haben. Dabei ich vertraue lieber meinen Beobachtungen in Düsseldorf als wissenschaftlichen Auswertungen aus Basel.

Beringte Tauben am Bahnhof Düsseldorf
Gleich mehrere beringte Tauben am HBF, zwei von der Vogelwarte Helgoland. Die beiden anderen (mit blauem und orangen Ring) waren wohl Haustauben.

Andere Stadttaubenaktivisten ließen es nicht nehmen, bei Herrn Haag-Wackernagel persönlich nachzuhaken. Der Professor äußerte sich selbst etwas verwundert über die Auslegung seiner Studie, wobei er sich wie gewohnt auf seine Beobachtungen in Basel reduzierte. Somit stellt sich mir die Frage, inwieweit das Ausmaß des organisierten Wettflugsports in der Schweiz auch mit dem in Deutschland, Belgien oder Polen vergleichbar ist. Das alles müsste man sorgfältig recherchieren. Lies aber einfach mal selbst, wie Professor Haag-Wackernagel im Klartext geantwortet hat:

Brief von Professor Haag-Wackernagel
Auszug des Antwortschreibens aus Basel als Screenshot aus Facebook

Lassen sich Kreuzungen von Haustauben und Stadttauben nachweisen?

Professor Haag-Wackernagel selbst hält auffällige Befiederungsmerkmale für keinen überzeugenden Hinweis auf eine tatsächlich Einkreuzung. Es könnte sich auch um zufällige Mutationen handeln, vermutet er stattdessen. Um auf wissenschaftlicher Grundlage zu beweisen, dass gezüchtete Haustauben signifikant zur Vermehrung der Stadttaubenpopulation beitragen, müsse man DNA-Profile von den Tauben erstellen. Solche Verfahren mögen vielleicht für einen Wissenschaftler notwendig sein. Aber erkläre mir doch einer mal bitte, wie aus der Verpaarung von klassischen Stadttauben durch zufällige Mutation etwa Exemplare mit ausgeprägten Latschenfedern entstehen können. Da komme ich irgendwie nicht mehr so ganz mit….

Düsseldorfer Stadtaube mit Latschenfedern
Dass solche Latschenfedern durch beliebige Mutation entstehen, will mir nicht in den Kopf.

Tierschützer sind keine Taubendiebe, sondern Helfer in der Not

In einigen Züchterforen kursieren immer häufiger wilde Verschwörungstheorien, dass wir Tierschützer zugeflogene Tauben einfach behalten und ihnen dafür die Ringe entfernen würden. Jeder Mensch mit einem halbwegs entwickelten Rechtsbewusstsein weiß, dass so etwas Unterschlagung ist und stattdessen im ersten Schritt versucht werden muss, mit dem Besitzer der Taube Kontakt aufzunehmen. Ich denke nicht, dass sich die meisten Tierschützer von einer solchen Tierbefreier-Mentalität verleiten lassen, sondern vielmehr korrekt vorgehen. Noch nie habe ich einer registrierten Taube Ringe entfernt, noch nicht mal einer Toten – damit assoziere ich nämlich das Einsammeln von Erkennungsmarken bei gefallenen Soldaten. Genauso erzähle ich es auch fast immer dem Züchter, dem ich während der Reisesaison eine Todesnachricht überbringe.

Belgische Brieftaube in Düsseldorf
Den kleinen Belgier habe ich im Juni aufgepäppelt. Nach der Freilassung entschied er sich aber in Düsseldorf zu bleiben.

Entkräftete Brieftauben hingegen, welche eine Reisetortur trotz Hitze und anderer widriger Umstände gerade mal so überlebt hatten, wurden von mir ein paar Tage aufgepäppelt und dann wieder an Ort und Stelle freigelassen – in der Hoffnung, dass sie wieder zur ihrem Partner im Heimatschlag finden würden. Leider ist das wohl nur in einem Fall passiert. Die anderen ex-Brieftauben haben hier  Anschluss gefunden und werden wohl weiter in Düsseldorf bleiben.  Vermutlich früher oder auch mit einem Partner.

Wie viele Züchter vermissen tatsächlich ihre Tauben?

Die Frage möchte ich nicht pauschal beantworten. Doch leider ist es nun mal nicht so, dass sich die Reisetauben-Freunde um ihre verloren gegangenen Brieftauben wirklich solche Sorgen machen, wie in den betreffenden Brieftaubenforen immer behauptet wird. Viel häufiger hört man am Telefon, man solle den Vogel einfach irgendwo aussetzen und wenn er nicht von selbst zurückkäme, dann sei es auch nicht weiter schade. Wenn noch mehr Details erfahren willst, findest du auch auf meiner Website auch einen Artikel zu dem sehr unerquicklichen Thema Selektion von Versagern und leistungsschwachen Tauben.