Heute Abend kam ich von meiner Freundin zurück, hatte unterwegs noch zwei Dosen Bier gekauft und freute mich darauf den Feierabend in aller Ruhe ausklingen zu lassen. Leider würde nichts daraus. Zuerst traute ich meinen Augen nicht. Direkt neben der Eingangstür zum Haus kauerte in der Ecke eine Taube mit stark aufgeplustertem Gefieder. Als ich sie aufnahm, sah ich, dass sie auf einem Auge blind war. Zudem dünstete sie einen extrem unangenehmen Geruch aus, der mich an den Atem von Hunden erinnerte.
So etwas hatte ich noch nicht erlebt. Natürlich nahm ich das arme Tierchen direkt mit hoch und setzte sie in meinen Käfig in der Küche. Sofort zog sie sich in eine Ecke zurück.
Ich bot ihr Sonnenblumenkerne und Wasser an. Keine Chance, nichts von beidem nahm sie an. Als ich vorsichtig ihren Kropf tasten wollte, gab sie seltsame knarzige Geräusche von sich. Dort schien sie also Schmerzen zu haben.
Hm, dachte ich, was nun? Es ist Mittwoch Abend, 21:30 Uhr. Für einen Tierarztbesuch entschieden zu spät. Die Taubenexpertin aus dem Tierheim konnte ich um diese Zeit auch nicht mehr anrufen. Die Gute lag bestimmt längst im Bett. Bei den vorliegenden Symptomen schien es eine ganze Reihe von Krankheiten zu geben, die in Frage kommen könnten: Trichomonaden, Kokzidiose, Chlamydien, evtl. Paramyxovirose (PMV)?
Um mir Rat zu holen, wendete ich mich an meine Facebook-Gruppe, von der gleich Tipps , aber auchFragen in Hülle und Fülle kamen. Wie viel wiegt die Taube? Ist Belag im Rachen? Gibt es Hinweise für weitere Verletzungen – man ging zunächst davon aus, dass das Auge auf diese Weise erblindete, wie sieht der Kot aus…. und, und, und.
Zunächst versuchte ich, allen Hinweisen irgendwie nachzugehen, stellte dann aber fest, dass derartige Untersuchungen das arme Täubchen nur noch mehr belasteten. Darum beschloss ich recht schnell, mit der Piesackerei aufzuhören und lieber bis zum nächsten Morgen zu warten. Innerlich drückte ich die Daumen, dass sie durchhielt.
Nahezu jede Stunde schaute ich nach ihr. Der Zustand schien unverändert zu bleiben. Bis kurz nach 5 Uhr. Nachdem sie sich kräftig erbrochen hatte, gab ihr gequälter Körper auf. Das ansehen zu müssen, war traurig. Aber nun hatte sie keine Schmerzen mehr. Und ich wünsche mir, dass ihre Seele den Übergang in eine freundlichere Welt und Ruhe gefunden hat.
Wie ich später erfuhr, konnte die Erblindung auch mit einer Infektionskrankheit zu tun haben, z. B. im Fall einer Ornithose, welche wiederum durch die oben erwähnten Chlamydien ausgelöst wird. Aufgrund der Kopfhaltung und des wässrigen Durchfalls hätte sie möglicherweise auch PMV haben können. Bei der Infektion sterben mindestens 10 % der erkrankten Tiere an Organversagen.
Letztendlich bleibt für mich die Diagnose weiterhin spekulativ. Um mich überhaupt erst einmal in die Thematik einzulesen, besorgte ich mir ein Nachschlagwerk über Taubenkrankheiten, dass nur leider wieder einmal in diesem typisch abartigen Züchterjargon geschrieben wurde. Sollte aber auch die Zielgruppe sein.